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Ulrike's Brain

ein Film von Bruce LaBruce

Deutschland/Kanada 2017, 55 Minuten, deutsch-englische Originalfassung, teilweise mit deutschen Untertiteln

FSK: 16

Ulrike's Brain

ein Film von Bruce LaBruce

Was ist eigentlich mit dem Gehirn von Ulrike Meinhof passiert – und was mit der Asche des schwulen Neonazis Michael Kühnen, der 1989 an den Folgen von Aids gestorben ist?

Inspiriert von „They Saved Hitler‘s Brain“ und „The Brain That Wouldn’t Die“, zwei berüchtigten B-Movies aus den 1960ern, erzählt „Ulrikes Gehirn“ die Geschichte von Dr. Julia Feifer, die mit einer Organbox zu einer wissenschaftlichen Konferenz reist. In der Box befindet sich das Gehirn der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Dr. Feifer steht in telepathischen Kontakt mit Ulrikes Gehirn, das ihr den Auftrag gibt, eine neue feministische Revolution anzuführen. Auf der Suche nach dem idealen weiblichen Körper, in den Ulrikes Gehirn verpflanzt werden kann, begegnet sie auf der Konferenz ihrem Erzrivalen Detlev Schlesinger. Der rechtsextreme Ideologe hat seinerseits die Asche von Michael Kühnen unter dem Arm, dem schwulen Neonazi-Anführer, der 1989 an den Folgen von Aids starb. Durch okkulte Rituale will Schlesinger den Geist Kühnens aus dem Reich der Toten befreien und in einem neuen Körper wiederbeleben. Als die beiden Frankenstein-Monster der extremen Linken und Rechten aufeinander treffen, bricht Chaos aus.

Trailer

Director’s Statement

Die wahren Begebenheiten, auf die Ulrike’s Brain sich bezieht, wirken fast wie die Prämisse einer Sience-Fiction-Geschichte: Nachdem die vier Führungskader der RAF, Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, unter verdächtigen Umständen im Gefängnis Stammheim ums Leben gekommen waren, wurden ihre Gehirne von den Behörden entnommen und dem Neuropathologen Dr. Jürgen Peiffer von der Universität Tübingen zur Untersuchung übergeben. Seine Auswertung des Gehirns von Ulrike Meinhof führte ihn zu der zweifelhaften Annahme, dass die operative Entfernung eines gutartigen Tumors im Jahr 1962 Schäden verursacht habe, die in direktem Zusammenhang mit Meinhofs späterer terroristischer Tätigkeit stünden.

Unterstützer der RAF weigerten sich zu glauben, dass die Aktionen der linken Revolutionärin auf eine geistige Erkrankung zurückzuführen seien, und bestritten die Theorie vehement. Die Untersuchung der Gehirne der toten Revolutionäre, von denen einige annahmen, dass sie vom Staat ermordet worden waren, beschwor zudem Erinnerungen an die grauenhaften medizinischen Experimente herauf, die während des Nationalsozialismus durchgeführt
wurden. Die anschließende Enthüllung, dass die vier Terroristengehirne unter mysteriösen Umständen verschwunden waren, gab dem Spektakel noch eine zusätzliche Science-Fiction-Note. Nur Ulrikes Gehirn wurde schließlich gefunden und ihren Töchtern übergeben, die es gemeinsam mit ihrem Körper im Jahr 2002 beisetzten. Oder vielleicht doch nicht? Noch bizarrer mutet es an, dass die Gehirne der drei anderen RAF-Mitglieder bis heute unauffindbar sind.

Biografie

BRUCE LABRUCE (Regie & Buch), geboren 1964 im kanadischen Southampton, gilt als einer der wichtigsten Vertreter des nordamerikanischen Queercore-Movements und des internationalen Queer Cinema.

Nach der Filmschule in Toronto studiert er Filmtheorie an der New York University. Noch während des Studiums gibt LaBruce mehrere queere Punk-Magazine heraus – darunter auch das berüchtigte, mit G.B. Jones gegründete Fan-Zine J.D.s (1985-1991) – und dreht erste Super8-Filme. LaBruces kühner, auf groben 8mm-Material gedrehter Debütfilm „No Skin Off My Ass“ (1991) gilt als eines der Hauptwerke des New Queer Cinema, der großen Erneuerungsbewegung des schwul-lesbischen Kinos in Nordamerika und Großbritannien. Schon hier ist seine Handschrift als Filmemacher klar erkennbar: eine transgressive Mischung aus Stilelementen des Independent-Kinos und einer dezidiert schwulen Pornoästhetik.

Es folgen der stark autobiographisch gefärbte Film „Super 8 1/2“ (1994), das in L.A. angesiedelte Stricherdrama „Hustler White“ (1996) und der Skinhead-Film „Skin Flick“ (1998). Anfang der 2000er kommt LaBruce nach Berlin und findet kreative Zweitheimat. Hier entstehen die Satire „The Raspberry Reich“ (2004) und das Zombie-Melodram „Otto; or, Up with Dead People“ (2007). Für seinen generationsübergreifenden Liebesfilm „Geron“ erhält LaBruce 2013 den Großen Preis der Jury beim Festival du Nouveau Cinema in Montreal. Sein Experimentalfilm „Pierrot Lunaire“ wird 2014 mit dem Special Jury Prize beim Teddy Award der Berlinale ausgezeichnet. LaBruce ist zudem Autor von drei Theaterstücken, die er selbst am Berliner Theater HAU – Hebbel am Ufer auf die Bühne gebracht hat. Er inszenierte zudem am Theater Neumarkt in Zürich und nahm am vom HAU initiierten Theaterprojekt „X-Wohnungen“ in Johannesburg teil.

LaBruce ist Autor der Autobiografie „The Reluctant Pornographer“ und hat zwei weitere Bücher über seine Arbeit veröffentlicht: „Ride, Queer, Ride“ und „Bruce(x)ploitation“. Zudem schreibt und fotografiert er für eine Vielzahl internationaler Magazine, Zeitungen und Blogs, u.a. für Index Magazine, Vice und The Guardian. Als Bildender Künstler wird er von der Berliner Galerie Peres Projects vertreten. LaBruce vielgestaltiges Werk wurde mit zwei Retrospektiven gewürdigt: 2014 in der Bell Lightbox im Rahmen des TIFF und 2015 im Museum of Modern Art in New York.

Filmografie (als Regisseur)

  • 1987

    „I Know What It’s Like to Be Dead“ (KF); „Boy, Girl“ (KF)

  • 1988

    „Home Movies“ (KF)

  • 1990

    „The Post Queer Tour“ (KF); „A Case for the Closet“ (KF); „Slam!“ (KF)

  • 1991

    „No Skin Off My Ass“

  • 1994

    „Super 8 1/2“

  • 1996

    „Hustler White“

  • 1998

    „Skin Flick“

  • 2000

    „Come As You Are“ (KF)

  • 2004

    „The Raspberry Reich“

  • 2007

    „Give Piece of Ass a Chance“ (KF)

  • 2007

    „Otto; or, Up with Dead People“

  • 2010

    „L.A. Zombie“; „The Bad Breast; or, The Case of Theda Lange“ (KF); „Weekend in Alphaville“ (KF)

  • 2013

    „Geron“ (OT: „Gerontophilia“)

  • 2014

    „Pierrot Lunaire“

  • 2017

    „Die Misandristinnen“; (OT: „The Misandrists“); „Ulrike’s Brain“

  • 2018

    „It is Not the Pornographer That is Perverse…“

  • 2020

    „Saint-Narcisse“

  • 2022

    „The Affairs of Lidia“

  • 2024

    „The Visitor“

Credits

Crew

Regie & Buch

Bruce LaBruce

Kamera

Bernd Schoch & Haiko Alberti

Schnitt

Jörn Hartmann

Musik

Bunnycat Productions

Kostüm

Katja-Inga Baldowski

Maske

Maria Trifu

Special Effects

Marcel Caspers

Produktionsassistenz

Julia Huebner

Cast

Dr. Julia Feifer

Susanne Sachsse

Detlev Schlesinger

Jonathan Johnson

Mit

Gertrude Stammheim

Saskia Timm

Stefan Sandrock

Florian Töbe

Yves Hanke

Joseph Wolfang Ohlert

Eine Jürgen Brüning Filmproduktion
mit Unterstützung des Canada Council fort he Arts
entstanden im Rahmen von „The Undead – Life Sciences & Pulf Fiction“ der Mobilen Akademie
Kampnagel

im Verleih von Salzgeber